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Round Table F&W/Mopro: Das Schnitzel von morgen

Hersteller von traditionellen Fleisch- und Molkereiprodukten sehen sich mit einer zunehmenden Akzeptanz von Alternativen seitens der Verbraucher konfrontiert. Über Lernprozesse und Chancen der Branche hat unsere Expertenrunde diskutiert.

Von Mirko Jeschke | Fotos: Heiko Rhode

TRANSFORMATION

Was bedeuten der sinkende Pro-Kopf-Verzehr von tierischen Produkten und die steigende Nachfrage nach Alternativ-produkten für Hersteller und Handel?

Peter Cornelius: Wir gehen von einem weiter sinkenden Fleischverbrauch aus. Das hat zum einen damit zu tun, dass die jüngeren Konsumenten, die Gen Z, bei der Ernährung auf andere Aspekte achten, etwa auf Gesundheit und Tierwohl. Wenn sie mal Fleisch essen, dann hochwertig. Wir rechnen daher damit, dass die Haltungsstufen Zug um Zug steigen. Das wird dazu führen, dass sich die Mengen zwar reduzieren, der Umsatz insgesamt durch die teureren Produkte aber stabil bleibt. Als Anbieter von Spezialitäten konnten wir in den letzten Jahren die Absätze noch halten. Allerdings dürften sich diese über die nächsten fünf bis zehn Jahre reduzieren, was auch mit unserer Kernverwenderschaft, der Boomer-Generation, zusammenhängt, die perspektivisch deutlich weniger zu sich nehmen wird. 

Andreas Helm: Auch wir beobachten den Milchmarkt mit einer rückläufigen Entwicklung, parallel zum Fleischmarkt. Schwarzwaldmilch begegnet dem mit attraktiven Marken, und wir bieten unter der Marke Velike! regionale Haferdrinks sowie Haferjoghurts an. Für uns ist entscheidend, dass sich der aufgeklärte Verbraucher dafür interessiert, wo seine Milch und sein Haferdrink herkommen. Velike! besetzt eine starke Nische und unsere Absätze sind stabil.

Wolfgang Steuer: Neugier ist bei pflanzlichen Alternativprodukten ein wichtiger Treiber. Im zweiten Schritt müssen wir es aber schaffen, dass ein erstmals gekauftes Produkt auch wiedergekauft wird, sprich, Geschmack, Qualität und Textur sowie Inhaltsstoffe müssen stimmen. Anfangs waren die Produkte vieler Hersteller mehr oder weniger ein Chemiebaukasten. Seither hat sich vieles getan. Bei Planted haben wir vollkommen cleane Produkte, das Grundprodukt besteht aus nur vier Rohstoffen, also Erbsenprotein, Erbsenfaser, Wasser und Rapsöl. Wenn man dann durch Technologien schmackhafte und gut strukturierte Produkte hinbekommt, wertschätzen das die Shopper. Stichwort Premiumisierung im Fleischbereich: Die durch bessere Haltungsformen steigenden Preise führen auch dazu, dass wir immer näher an eine Preis-
parität kommen zwischen Fleisch aus Pflanzen und dem tierischen Pendant, das ist unser Ziel.

Frank Weber: Die Ansprüche der Endverbraucher an Alternativprodukte steigen stetig. Klassische Veganer und Flexitarier waren in der Vergangenheit – zumindest bezogen auf den Geschmack – eher leidensfähig. Das hat sich geändert. Der Geschmack ist jetzt ein entscheidender Trigger. Auch das Thema Clean Label spielt eine immer größere Rolle. Zudem nimmt die Vielfalt und somit der Wettbewerb im Regal rasant zu – mit Auswirkungen auf das Preisniveau. Letzteres forciert der Handel massiv. Vor allem die Discounter versuchen gezielt, sowohl im Käse- als auch im Fleischsegment Preisgleichheit herzustellen, indem sie Preise reduzieren. Da dies ohne Berücksichtigung von Preisentwicklungen auf der Herstellerseite erfolgt, halte ich das für gefährlich. Im Grunde ist das Wertevernichtung. Ohne Innovationen, die stark in Richtung Genuss gehen, wird es künftig schwer werden. Mittlerweile gibt es viele Firmen, die ein nur schmales Segment bedienen, aber in Sachen Optik, Geschmack und Mundgefühl sehr gute Produkte entwickeln. Genau in diese Richtung muss es gehen.


Round Table F&W/Mopro

  • Peter Cornelius, Geschäftsführer, Cornelius Wurstwaren
  • Petra Engels, Sen. Manager Shopper Experience, GS1 Germany
  • Anja Grunefeld, General Manager, The Livekindly Collective DACH
  • Dr. Andreas Helm, Geschäftsleiter, Black Forest Nature
  • Michael Krause, Aufsichtsratsmitglied, Rücker 
  • Werner Ott, Geschäftsführer, The Green Mountain
  • Frank Riedel, CEO, Mondarella
  • Wolfgang Steuer, Country Manager Germany, Planted Foods
  • Frank Weber, Head of Sales, Uplegger Food Company
  • Karina Caspers, Chefredakteurin, RUNDSCHAU
  • Mirko Jeschke, Chef vom Dienst, RUNDSCHAU
  • Martina Kausch, Redakteurin, RUNDSCHAU

Anja Grunefeld: Pflanzliche Alternativprodukte sind ein Generations- und Einstellungsthema. Unsere Kernzielgruppe sind Flexitarier, doch wie sind die eigentlich definiert? Sind das Menschen, die zufällig einmal in der Woche Spaghetti mit Tomatensoße essen, oder solche, die bewusst auf Fleisch verzichten? Flexitarier sind sicher nur zu überzeugen, wenn ihnen die Produkte schmecken und wir sie zuvor richtig herangeführt haben. Dieses Hinterherlaufen der Kategorie, ein Ersatz sein zu wollen, das Kopieren des Originals – das wird uns nicht mehr gerecht. Die Milchalternative hat das besser gemacht. In vielen Kühlschränken steht neben der klassischen Milch heute eine pflanzliche Variante, weil einige den Milchgeschmack nicht mögen und den Hafer bevorzugen. Das nenne ich Education of Taste.

Werner Ott: Mit Blick auf das Thema Category Management gibt es erstaunlicherweise noch sehr wenige Informationen zur Platzierung der Fleischersatzprodukte. Wie der Kundenentscheidungsbaum funktioniert, ist noch keinem wirklich klar. Der Handel führt die Produkte mehrheitlich nicht im Fleisch-
bereich. Mitentscheidend für den Erfolg der pflanzlichen Alternativen wird außerdem auch sein, wie die Gastronomie die Produkte aufnimmt. Ihr kommt in diesem Markt eine Schlüsselrolle zu, wie auch den Betriebskantinen und Mensas, die die Produkte bereits in ihre Menüangeboten integrieren. Damit schaffen diese einen Zugang zu den Produkten aus der noch jungen Category, denn am Ende handelt es sich immer um den gleichen Konsumenten bzw. Shopper. 

Frank Riedel: Für mich sind die Liebe zum Lebensmittel und der Genuss entscheidend. Es muss nicht hochverarbeitet sein, es muss nicht immer vom Tier sein. Es geht aber um die Frage, was ich damit machen kann. Gerade die junge Generation hat ihr Konsumverhalten verändert und sucht die Nähe zu Convenience-Produkten. Trotzdem geht es auch um Genuss, sprich, etwas gemeinsam zu essen, Essen zu teilen. Die Entwicklungen im tierischen Segment, auf andere Dinge stärker zu achten, finde ich großartig. Dann darf es auch mehr kosten. Bei unserem Käse fände ich es gut, wenn er etwa als Zutat in einem Gericht drin ist und die Konsumenten am Ende gar nicht feststellen, dass irgendwas anders ist als beim tierischen Original. Im Genussbereich, bei Käse-Spezialitäten, würde ich mir allerdings eher einen Wow-Effekt wünschen.

Michael Krause: Wir haben in unserem Haus die Maxime: alle an einen Tisch. Das bedeutet, wir wollen keinen ausschließen. Klassischen Käse werden wir daher beibehalten, gerade im Bereich Spezialitäten. Wir wollen aber das andere auch haben. Bei den Themen Genuss und Geschmack haben wir indes dazugelernt. Die erste Vega-Lecker-Produkte waren leicht mehlig, das wurde permanent verbessert. Heute gibt es einen veganen Mozzarella mit einer Textur wie beim Original. In der Blindverkostung merkt niemand, dass er pflanzlichen Mozzarella isst. Außerdem: Man kann beide Kategorien gut miteinander verbinden. Gerade die Genuss- oder sozialen Momente werden in Zukunft auch bei jungen Konsumenten extrem wichtig sein. Dass dabei eine Seite die andere ausschließt, hilft nicht weiter. Das muss die Branche lernen. 

FOKUS QUALITÄT

Welchen Einfluss haben Label und Eigenmarken? Wie kann sich die Kategorie der Alternativprodukte weiterentwickeln?

Petra Engels: Viele Hersteller fragen sich, welche Label überhaupt noch entscheidungsrelevant beim Shopper sind, vor allem wenn sie relativ kleine Etiketten haben. Es kommt daher immer auf die Zielgruppe an. Veganer etwa würden sicher das V-Label weiterhin für relevant halten. Flexitarier hingegen dürften eher den Genussmoment suchen und sich daher weniger dafür interessieren, ob das Produkt unbedingt vegan ist. Somit ist immer die Frage, was die Kernaussage auf dem Produkt sein soll, damit es für die Shopper auch verständlich ist. Dies sollte im Vorfeld unbedingt durch Shopper Research abgesichert werden.
 

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