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Store-Check spezial: Kleinflächen mit Zukunft

Der Spagat zwischen Rentabilitätsanspruch und Nahversorgungspflicht ist auf kleinen Flächen eine besondere Aufgabe. Die RUNDSCHAU zeigt die neuen Ideen.

Moderne Optik, mehr Frische im Sortiment: Edeka Minden-Hannover will den Nah & Gut-Kleinflächen Schwung geben. Foto: Edeka Minden Hannover
Von Martina Kausch | Fotos: Edeka Minden Hannover

Attraktivität steigern – und zwar für Kunden und Betreiber – das ist das Ziel für Handelsunternehmen, die das Keinflächensterben im LEH seit Jahren beobachten. Denn die Zahl der Verkaufsflächen für Lebensmittel in Deutschland geht zurück (s. Infokasten r.). Welche Möglichkeiten gibt es, mit Ideen und digitaler Technik den Shops mehr Leben einzuhauchen?


„Ziel ist es, einen Großteil der NP-Märkte zu verlässlichen Nahversorgern auszubauen."

Miriam Heuser, Unternehmenssprecherin Edeka Minden-Hannover


Neues Konzept bei Edeka

Wie kann man auf Verkaufsflächen von rund 400 Quadratmetern eine tragfähige Flächenproduktivität gewährleisten? Die Edeka Minden-Hannover gibt seit 2021 kleinflächigen NP-Märkten ein neues Gewand und neue Namen: „Ziel ist es, einen Großteil der NP-Märkte, die in der Regel mit weniger als 1.000 Quadratmetern zu den Kleinflächen im Vertriebsgebiet gehören, zu verlässlichen und attraktiven Nahversorgern auszubauen, diese damit wirtschaftlich zu stärken und möglichst langfristig Arbeitsplätze zu sichern“, sagt Unternehmenssprecherin Miriam Heuser. Allein in 2023 wurden 43 NP-Märkte auf Nah & Gut oder Edeka umgestellt, bis 2026 sollen alle folgen (siehe unten).

Lekkerland – Rewes KI-Offensive

Das Thema Nahversorgung mit kleinen Verkaufsflächen ist in Stadt und Land in der Diskussion. 2019 eröffnete Lidl in München nahe am Isartor, einer hochfrequentierten Lage, einen 550-Quadratmeter-Shop. Und warum nicht digitale Techniken nutzen, um Personalkosten zu senken und KI zu etablieren? Die Rewe-Group hat über ihre Tochter Lekkerland gleich fünf Smart-Store-Konzepte erarbeitet, die entweder von Rewe-Händlern mitversorgt, als E-Ladestationen oder in Kliniken separat betrieben werden können. Kühl- und Gefrierschränke, die sich über eine App öffnen lassen, gehören dort zu den modernsten Techniklösungen.

Ein Thema bei allen Verkaufsstellen sind die Ladenöffnungszeiten – auch an Sonn- und Feiertagen –, grundsätzlich geregelt im Gesetz über den Ladenschluss von 1956. Im deutschen Bürokratiedschungel gibt es hier (seit 2006) von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Regelungen, die auch Smart Stores betreffen. Weil auch kleine Läden sonntags nicht öffnen dürfen, fürchtet man laut aktuellen Medienberichten in Berlin das große Späti-Sterben.

Genossenschaft neu denken?

Vielerorts sind Kommunen daran interessiert, die Nahversorgung zu sichern. Die Dorfladen-Idee mit Genossenschafts-Hintergrund belebt – mit Steuergeldern unterstützt – Enso E-Commerce mit Tante-Enso-Läden neu (siehe unten).


INFO

Kleinflächen unter Druck

Bei 195 Milliarden Euro lag 2022 nach Angaben des EHI Retail Institute der Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland, davon wurden 88,5 Milliarden Euro durch Discounter erzielt. Die Gesamtzahl der Lebensmittelgeschäfte geht weiter zurück. Gab es 2012 noch 38.866 Lebensmittelgeschäfte, waren es 2017 noch 37.697. 2022 gab es bundesweit 36.900 Lebensmittelmärkte.

Die Kleinfläche verliert insgesamt deutlich an Boden. Von 10.064 kleinen Lebensmittelgeschäften (bis 400 m2) in Deutschland im Jahr 2012 sind 2022 noch8.050 geblieben.


 

Nah & Gut im Update-Modus

Bis 2026 will die Edeka Minden-Hannover die Discount-Vertriebsschiene NP zu Edeka-Märkten und Nah & Gut-Filialen umstellen. Selbstständige Händler sind gefragt.

Attraktive Ladenbauelemente und ein deutlich ausgeweitetes Sortiment sind Bausteine des Kleinflächenkonzepts, mit dem Edeka Minden -Hannover die NP-Märkte in Nah & Gut-Filialen und Edeka-Märkte umstellt. Statt rund 6.500 Artikel sollen dann über 10.000 Artikel zu haben sein.

„Rund zwei Drittel der heutigen NP-Märkte werden in Nah & Gut-Märkte umgewandelt. Etwa ein Drittel wird in Edeka-Märkte überführt“, sagt Unternehmenssprecherin Miriam Heuser. Dazu gehörten neben einem neuen Ladenbau auch vergrößerte Frische-Sortimente mit regionalem Bezug, größere Sortimentsvielfalt sowie ein frischer Marktauftritt mit neuem Logo, angenehmem Licht und dezenten Farben.

Heizen mit Abwärme

Allein 2023 wurden 43 NP-Märkte auf Nah & Gut oder Edeka umgestellt, wie viele Beispiele zeigen. Im Magdeburger Stadtteil Hopfengarten gab es seit 1998 einen NP-Markt, nun wurde ein Neubau errichtet und Kaufmann Albrecht Grave kann mit seinem Team jetzt 1.100 Quadratmeter Verkaufsfläche bieten. Die Abwärme der Kühlgeräte wird über eine Wärmerückgewinnung genutzt, um den Markt zu heizen. Energiesparende LED-Systeme gehören ebenfalls zur Ausstattung.


INFO

Das neue Nah & Gut-Konzept der Edeka Minden-Hannover

Über 10.000 Artikel gehören zu dem neuen Nah & Gut-Konzept, das bedeutet eine Sortimentserweiterung um über 50 Prozent. Viele Kaufleute machen laut Edeka Minden-Hannover mit der Umstellung vom Discounter den Schritt in die Selbstständigkeit.Auch ein vergrößertes Frische-Sortiment mit regionalem Bezug, angenehmes Licht und moderne Ladenbauelemente sollen die Märkte attraktiv machen.


 

Rewe: Service für besondere Orte

Fünf Jahre nach dem Kauf baut Rewe über die Nahversorgungstochter Lekkerland die Kleinflächenkompetenz mit Smart Stores aus. Auch an E-Ladestationen und in Kliniken sollen sich die Shops bewähren. 

Die einen stehen an Schnellladestationen, die anderen in Krankenhäusern. Die einen heißen Rewe ready, die anderen Rewe To Go. Smarte Kioske sind beide, denn sie funktionieren ohne Personal und sind 24/7-Konzepte. Am EnBW-Schnellladepark im sächsischen Lichtenau bei Chemnitz stehen nach Angabe von Lekkerland die ersten Smart Fridges. Die Kühlschränke öffnen sich, wenn Kunden ein bargeldloses Zahlungsmittel scannen.

Bei Entnahme von Waren erfassen Gewichtssensoren und Kameras, welche Produkte entnommen wurden – das Zahlungsmittel wird dann automatisch mit dem entsprechenden Betrag belastet. Tabak und alkoholische Getränke werden in dem Rewe ready in smarten Vending-Automaten mit Alterskontrolle verkauft. Der Shop ist rund um die Uhr geöffnet und bietet rund 200 Artikel, Kaffee, Kaltgetränke, Snacks und Salate.

370 Artikel auf 16 Quadratmetern

Insgesamt fünf Smart-Store-Lösungen bietet Rewe über Lekkerland aktuell an, auch einen 24/7-Kiosk für Kliniken. In der Asklepios-Klinik Weißenfels bei Leipzig wurde der bundesweit zweite nach einem Standort in Düsseldorf in einem Krankenhaus eröffnet. 370 – auch gekühlte – Artikel und einen Sitzbereich bietet der Rewe To Go Smart Kiosk auf einer Fläche von 16 Quadratmetern.

Geöffnet ist der Shop ohne Personal während der Besuchszeiten der Klinik und auch für Anwohner. Die Bezahlung erfolgt bargeldlos, es gibt an der Klinikrezeption aber auch Wertgutscheine, die man mit Bargeld bezahlen kann und die an der Shop-Kasse des Kiosks eingescannt werden.


INFO

Smarte Technikenin fünf Varianten

2019 hat die Rewe Group Lekkerland gekauft, nun gibt es bereits fünf Smart-Store-Konzepte für verschiedene Standorte, alle ohne Personal und teilweise mit Kühl- und Gefrierschränken. Dazu gehört der Smart Kiosk (Sortiment: 300 Produkte) für semi-öffentliche Bereiche indoor und outdoor. Im Shop namens Smart Automat kaufen Konsumenten via Touchscreen ein und erhalten die Produkte über ein Förderband.


 

Tante Enso – die Genossenschaft lebt

Wenn 300 Menschen einen Anteil an der MyEnso-Genossenschaft erworben haben, bekommt der Ort einen hybriden Supermarkt: Das Konzept aus Bremen expandiert.

Hundert Euro machen einen Supermarkt möglich – wenn 300 mal hundert Euro zusammenkommen. Mit anderen Worten: Wenn 300 Menschen diese Summe als Genossenschaftsanteil einbringen, „kommt Tante Enso in den Ort, als Mieterin einer Bestandsimmobilie oder eines von einem Investor oder der Gemeinde errichteten Neubaus“, so heißt es aus dem Unternehmen Enso E-Commerce. Es wurde 2016 in Bremen von Norbert Hegmann und Thorsten Bausch gegründet. Ziel war, die Nahversorgung in ländlichen Regionen mit einem hybriden Supermarktmodell namens Tante Enso samt eigener Logistik zu sichern. 

Mit und ohne Personal

Tante Enso ist ein stationärer Supermarkt auf durchschnittlich 200 Quadratmetern, der rund um die Uhr geöffnet und zu bestimmten Tageszeiten mit Personal besetzt ist – in der Regel vier Stunden täglich, so beschreibt das Unternehmen das Konzept. In dieser Zeit funktioniert Tante Enso genau so wie jeder Supermarkt. Das Sortiment umfasst vor Ort 3.000 bis 4.000 Artikel, der Online-Shop von Enso bietet zum Bestellen in die Filiale weitere rund 15.000 Artikel. Mit der Enso-Karte kann der Kunde die Markttür öffnen und an der Selfcheckout-Kasse bezahlen. Aus Bremen
in den Süden
Aus einem reinen Online-Supermarkt  entstanden, baut Enso E-Commerce seit 2019 in ländlichen Gebieten kleine Supermärkte – Tante-Enso-Läden – nach dem Genossenschaftsprinzip. Bis Ende 2024 will das Bremer Unternehmen deutschlandweit rund 100 Tante-Enso-Läden in Betrieb genommen haben, auch in Süddeutschland gibt es aktuell bereits Märkte. Seniorenwohnheime gehören zu den gefragten Standorten.


Aus Bremen in den Süden

Aus einem reinen Online-Supermarkt  entstanden, baut Enso E-Commerce seit 2019 in ländlichen Gebieten kleine Supermärkte – Tante-Enso-Läden – nach dem Genossenschaftsprinzip. Bis Ende 2024 will das Bremer Unternehmen deutschlandweit rund 100 Tante-Enso-Läden in Betrieb genommen haben, auch in Süddeutschland gibt es aktuell bereits Märkte. Seniorenwohnheime gehören zu den gefragten Standorten.


 

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